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Amt der Tiroler Landesregierung, Abt. Umweltschutz
Eduard-Wallnöfer-Platz 3
A-6020 Innsbruck
Betreff: TIWAG- Tiroler Wasserkraft AG, Innsbruck, Ausbau Kraftwerk Kaunertal- Verfahren nach dem UVP-G 2000, Stellungnahme zur vorliegenden
Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) zum Vorhabensteil 1
Innsbruck, am 05.09.2025
1. Einleitung:
Parents For Future unterstützen seit ihrer Gründung die Anliegen künftiger Generationen im Klima- und Umweltschutz. Unseren Kindern angesichts der ökologischen Krisen eine Stimme zu geben, sehen wir als unsere Verpflichtung als Eltern an.
Die Parents For Future Tirol setzen sich mit dieser Ausrichtung seit Jahren gegen den Ausbau des Kraftwerkes Kaunertal und für eine naturverträgliche Energiewende ein. Wir haben den Verantwortlichen mehrmals unsere Argumente auf unterschiedlichen Wegen nahezubringen versucht, zuletzt in unserem Offenen Brief vom April 2025, auf den wir leider keinerlei Reaktion erhalten haben. Wir hoffen, dass das UVP-Verfahren ernsthaft die Bedenken und Einwände zivilgesellschaftlicher Gruppen, der ansässigen Bevölkerung und der NGOs prüft. Wir bringen deshalb eine Stellungnahme zur UVE der TIWAG ein, auch wenn Parents For Future keine Parteistellung im Verfahren hat.
2. Allgemeines:
- Wir kritisieren, dass das UVP-Verfahren nun in zwei Vorhabensteile aufgeteilt wurde. Der Schluss liegt nahe, dass dadurch der Widerstand aus der kritischen Zivilgesellschaft geschwächt werden soll. Aus unserer Sicht muss das ganze Projekt in der Zusammenschau seiner Auswirkungen bewertet werden. Nachdem keine UVE über den Vorhabensteil 2 vorliegt, können wie hier nur zum Vorhabensteil 1 Stellung nehmen.
- Wir bekennen uns zur Energiewende. Wir sind Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung. Wir begrüßen den Ausbau erneuerbarer Energien und alle Bemühungen zum Energiesparen, lehnen aber weitere rücksichtslose Eingriffe in alpine Ökosysteme und Fließgewässer in Tirol ab.
- Wir sehen die Biodiversitätskrise als Schwester der Klimakrise. Klimaschutz darf nicht gegen den Schutz der Biodiversität ausgespielt werden. Welche Alternativen wir u.a. in der Energiewende vorschlagen, haben wir bereits in unserem Offenen Brief im April 2025 kundgetan. Die veranschlagten finanziellen Mittel für den Ausbau des Kraftwerks Kaunertal sehen wir in folgenden Alternativen sinnvoller investiert:
- Bestehende Wasserkraftwerke können in Bezug auf ihre Effizienz optimiert werden.
- Bei bereits bestehenden Stauseen in Tirol könnten zusätzliche Pumpspeicherkraftwerke entstehen.
- Dezentrale, kleinere Anlagen erhöhen zudem die Resilienz des Energiesystems gegenüber Risiken wie Naturkatastrophen, Sabotage und Blackout.
- Die Windkraft muss in Tirol stärker vorangetrieben werden, insbesondere zur Energieproduktion im Winter.
- Batteriespeicher werden immer günstiger und langlebiger. Sie können langfristig die Kapazität des geplanten Pumpspeichers abdecken. Es werden bereits Anlagen mit Speicherkapazitäten im GigawattstundenBereich entwickelt. Ein Beispiel: In den USA entsteht derzeit der größte Batteriespeicher der Welt mit einer Kapazität von 8,5 Gigawattstunden. Er arbeitet nicht mit dem kritischen Rohstoff Lithium, sondern mit Luft und Eisen – genauer gesagt mit Rost. Dank der reichlich verfügbaren Materialien soll er nur ein Zehntel herkömmlicher Akkus kosten, also rund 20€ pro kWh. Zusätzlich ist das System unbrennbar und frei von giftigen Stoffen. (https://t3n.de/news/8500-megawatt-batterie-rost-1667301)
- Die technische Entwicklung schreitet mit hohem Tempo voran: Batterien werden nicht nur leistungsfähiger, sondern auch flexibler einsetzbar. Neue Speichertechnologien entstehen, die länger halten, kaum Wartung benötigen und sich modular an vielen Standorten errichten lassen – von dezentralen Anlagen in Kommunen bis hin zu großflächigen Speichern im Verbundnetz
- Gerade das europäische Verbundnetz eröffnet große Chancen: Stromspeicher können dort errichtet werden, wo sie ökologisch und wirtschaftlich am sinnvollsten sind. Ein Verzicht auf das geplante Kraftwerk würde die Energiewende daher nicht behindern, wohl aber unsere einzigartigen Naturschätze bewahren
- Der Ausbau von 380-kV-Freileitungen ist entscheidend, um die steigenden Mengen an erneuerbarem Strom ins Netz einzuspeisen und Engpässe in der Stromversorgung zu vermeiden. Projekte wie der Netzraum Kärnten (https://www.apg.at/projekte/netzraum-kaernten/) oder die Ostküstenleitung in Schleswig-Holstein (https://www.stadt-undde/k21-meldungen/ostkuestenleitung-vollstaendig-genehmigt/) zeigen, dass solche Leitungen für die Integration und den Transport von erneuerbaren Energien aus Wind- und Solarkraft essenziell sind.
- Der Netzausbau von 380 kV und 110 kV Leitungen sowie die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren tragen wesentlich zur Beschleunigung der Energiewende bei.
- Netzausbau und Speicher-Ausbau greifen ineinander: Je größer und flexibler das Netz, desto besser lassen sich Stromüberschüsse dort speichern, wo es am günstigsten und effizientesten ist.
3. Stellungnahme zum Vorhabensteil 1 des Ausbaus KW Kaunertal
3.1 Zerstörung eines fast unberührten Moor- und Feuchtgebietes
Im Platzertal gibt es nicht nur ein hochalpines Moor, also einen an sich sehr seltenen Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Im Platzertal liegt auch einer der größten und aufgrund seiner abgelegenen Lage am besten erhaltenen Moor- und Feuchtgebietskomplexe in Österreich. Das geplante Vorhaben würde durch die Stauung und die vollständige Wasserentnahme aus dem Platzerbach 6,3 Hektar wertvolle Moorböden zerstören, die wir dringend als natürliche CO2-Speicher brauchen. Das kommt der größten Moorzerstörung Mitteleuropas gleich. Zudem würde das restliche, noch bestehende Feuchtgebiet durch den Wassermangel seine Funktion als Lebensraum für geschützte Tier- und Pflanzenarten verlieren.
Österreich hat sich aus diesem Grund in der Moorstrategie 2030+ verpflichtet, intakte Moore unter Schutz zu stellen und Moore zu renaturieren.
Auch im Renaturierungsgesetz der EU, einem der Standbeine der EU im Kampf gegen den Klimawandel, wird aus den genannten Gründen der Fokus stark auf Moore und Feuchtgebiete gelegt.
Die Alpenkonvention verpflichtet Tirol zudem zu „Naturschutz und Landschaftspflege“ „mit dem Ziel, Natur und Landschaft so zu schützen, zu pflegen und, soweit erforderlich, wiederherzustellen, dass die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme, die Erhaltung der Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer Lebensräume, die Regenerationsfähigkeit und nachhaltige Leistungsfähigkeit der Naturgüter sowie Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur und Landschaft in ihrer Gesamtheit dauerhaft gesichert werden“. https://www.alpconv.org/de/startseite/konvention/ rahmenkonvention/
3.2 Zerstörung von Lebensräumen für zum Teil geschützte Tier- und Pflanzenarten
Mitten in der Biodiversitätskrise würden, trotz vorhandener Alternativen, Lebensräume für Amphibien, Reptilien, Vögel, Kleinsäugetiere und seltene hochalpine Pflanzen zerstört werden. Hochalpine Lebensräume sind gerade bei steigenden Temperaturen in der Klimakrise auch Rückzugsräume für derzeit noch in tieferen Lagen angesiedelte Lebensformen, die in höhere Regionen ausweichen.
Neben der Störung während der Bauphase würden viele Arten ihren Lebensraum im Platzertal dauerhaft verlieren und so in ihren Populationen weiter zurückgehen.
3.3 Risiko Neophyten
Zudem steigt das Risiko der Besiedlung und Ausbreitung von expansiven Neophyten durch die massiven Erdarbeiten und Aushubdeponien an allen Standorten. Präventive Maßnahmen diesbezüglich fehlen gänzlich in der UVE trotz der massiven Verdrängung heimischer, zum Teil geschützter Arten durch Neophyten, die regelmäßig an Großbaustellen und Aushubdeponien zu beobachten sind.
3.4 Zunehmende Naturgefahren durch Fortschreiten der Klimakrise
Es drohen durch den Rückgang der Gletscher und des Permafrosts bisher noch nicht geprüfte Gefahrenpotenziale für den bestehenden Speicher und den zukünftigen im Platzertal. Die Katastrophe in Blatten zeigt, dass die Gefahrenpotenziale neu eingeschätzt werden müssen. Die Sicherheitsbedenken der ansässigen Bevölkerung sind ernst zu nehmen.
3.5 Emissionen
Durch den massiven Einsatz von Beton als Baustoff bei den geplanten Baumaßnahmen würden massiv Treibhausgasse emittiert. Beton ist ein extrem klimaschädlicher Baustoff. Die Baustelle selbst wäre mit massivsten CO2-Emissionen allein nur für die 120 m hohe Staumauer verbunden.
Erheblich ist auch die Klimabelastung durch den Baustellenverkehr für ca. 10 Jahre.
3.6 Bodenversiegelung
Rund um die Baustellen und durch die Verbreiterung von Straßen würde auch wertvoller Boden verloren gehen mit allen seinen Ökosystemleistungen. Die Auswirkungen im Rahmen von Starkregenereignissen werden in der UVE nicht beleuchtet.
3.7 Wirtschaftliche Schäden
Landwirt*innen und Tourismus wären neben der Bevölkerung und der Natur vor Ort die Leidtragenden, sowohl in der jahrelangen Bauphase als auch in der Zeit nach Abschluss der Bauarbeiten. Das Landschaftsbild in Kaunertal und Platzertal würde massiv beeinträchtigt. Für Vorhabensteil 2 betrifft dies gravierend auch das Ötztal.
Als Parents For Future Tirol ersuchen wir die Tiroler Landesregierung dringend, diese Bedenken im Verfahren zur Genehmigung des Vorhabens „Ausbau Kraftwerk Kaunertal“ zu berücksichtigen und dem Projekt die UVP-Genehmigung nicht zu erteilen. Wir appellieren an Sie, die genannten umweltverträglicheren Alternativen zu prüfen und umzusetzen.
Mag.a Maria Garzaner
Für Parents For Future Tirol